Das Scheitern des Wechselakkus

Das israelische Geschäftsmodell Better Place startete 2007, das Forschungsprojekt GridSurfer, mit einer Akku-Wechselstation an der Universität Oldenburg, 2009. Das Unternehmen Nio ging 2017 in der VR China an den Start. Das Prinzip Wechselakku ist also keineswegs neu. Auch ist es technisch nicht gescheitert – im Gegenteil.

In Anbetracht der Markt- und Lobbymacht der Automobil- und Mineralölwirtschaft und deren langfristigen Investitionen, ist es im Nachhinein jedoch nicht verwunderlich, dass ein israelisches Startup Mitte der 2000er keine Chance hatte, sich zu behaupten. Fast eine Milliarde Dollar, die Shai Agassi von überzeugten Unterstützern einsammeln konnte, sind ein verschwindend geringes Budget, wenn auch flächendeckende Infrastruktur neu errichtet werden soll. Auch heute werden daher allein agierende Startups bei dem Versuch, den Wechselakku für das Auto, den Transporter und den Bus in den Markt zu drücken, scheitern.

Ende der 2000er Jahre lag der Anteil Erneuerbaren Stroms in Deutschland unter 20 Prozent, so wie gegenwärtig noch in den USA. Damit beschränkte sich die Energiewende auf quantitatives Wachstum. Der Bedarf für die Strom-Zwischenspeicherung war praktisch nicht erkennbar. Umso lobenswerter, dass sich eine Fachhochschule in Niedersachsen im Rahmen eines Verbundprojekts bereits damals mit dem Thema Traktions-Wechselakku und dessen zusätzlicher – und damit ökonomisch interessanten – Nutzung zur Strom-Zwischenspeicherung befasste.

Selbst heute, im Jahr 2021, ist nur Teilen der Fach-Öffentlichkeit (insbesondere Medien und Politik) bewusst, welch dramatischer Paradigmenwechsel einer Volkswirtschaft bei der Stromversorgung bevorsteht, wenn sie auf stetig verfügbare Stromgestehung verzichtet. Denn das bedeuten die Ausstiege aus der Atom- und der Kohlekraft. Ist das eigene System dann quanti- und qualitativ unzureichend entwickelt, muss Strom von den Nachbarn eingekauft werden, falls dort zum Zeitpunkt des Bedarfs überschüssige Kapazitäten auf uns warten. Gegenwärtig ist es andersherum.

Die autonome Alternative ist das Zwischenspeichern des Stroms in Akkus, der zur falschen Zeit, vielleicht auch am falschen Ort, erzeugt worden ist. Die Technik, nur stationär installiert, ist derzeit so teuer, dass es billiger ist, Erneuerbare Überproduktion zu einem Zeitpunkt zu kappen. Die Fachwelt spricht hier von einer Variante des Redispatch: Windmüller erhalten Entschädigung für im Wind gestoppte Windmühlen. Glücklicherweise hält sich die abgestellte Windstrom-Produktion bislang im einstelligen Prozentbereich. Doch die systemische Widersprüchlichkeit wird erkennbar. Schließlich wollen wir den Anteil von Windstrom in den nächsten Jahrzehnten mindestens verdoppeln, um konventionelle Kraftwerke überflüssig zu machen…

These des Konzepts E-UNLIMITED lautet: Die chemische Zwischenspeicherung Erneuerbaren Stroms ist schon jetzt wirtschaftlich, wenn die Akkus, die im Verkehrsbereich sowieso benötigt werden, derart gemanagt werden, dass sie auch den Job der Zwischenspeicherung übernehmen, ohne den Nutzwert des BEV einzuschränken oder das Fahrzeug im Vergleich mit konventionell angetriebenen PKW zu verteuern. Werden die Traktionsakkus im Großmaßstab gebündelt, verdienen sie in lukrativen Segmenten des Strommarktes Geld: in den Regelenergiemärkten. Diese erlangen immer größere Bedeutung, wenn konventionelle Kraftwerke ab-, schwankend erzeugende Erneuerbare Energien zugeschaltet werden.

Vor 14 Jahren war das Aufdecken des Dieselbetrugs in den fernen USA ebenso wenig in Sicht, wie das Überspülen eines japanischen Atomreaktors auf der entgegengesetzten Seite des Globus. Dass externe Ereignisse notwendig sind, um die deutsche Regierung zum Regieren zu tragen, ist alarmierend.

Umso wichtiger, dass Politik nun die Chancen erkennt, die die Elektromobilität auch für die Fortsetzung der Energiewende birgt. Unternehmerische Initiative allein ermöglicht nicht die, für eine Transformation des Individualverkehrs erforderliche, Kooperation vormals nicht gekoppelter Industrien. Der Staat als Nachtwächter ist passé. Die Transformation des Individualverkehrs erfordert dezidiertes, an den entscheidenden Details interessiertes Projektmanagement durch Politik. Der Wechselakku wird jetzt, 14 Jahre nach Better Place, als systemisches Element und technische Voraussetzung für eine wirtschaftlich tragfähige Umsetzung der E-Mobilität benötigt.

Ein Gedanke zu „Das Scheitern des Wechselakkus

  1. Thomas Heinemann Antworten

    Hallo Herr Dunker,

    ich bin ganz ihrer Meinung und denke auch, dass die Zukunft den Wechsel-Akku Stationen gehört. Es braucht einen gemeinsamen Konsens bei allen Autoherstellern in der EU, die sich dann wiederum auf einen EU-weiten Akku Standard einigen. Nur so können wir das Ziel GEMEINSAM und nicht EINZELN erreichen.
    Liebe Grüße
    Thomas H.

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